125 Jahre Telefon in Deutschland

Generalpostmeister Heinrich Stephan Die Einführung des Telefons in Deutschland geht auf den Generalpostmeister Heinrich Stephan zurück. Stephan, der als erster das Telefon »Fernsprecher« nannte, hatte 1877 von der Erfindung Bells erfahren (er las einen Artikel in der amerikanischen Zeitschrift »Scientific American« mit einem Bell-Telefon auf dem Titelblatt) und bestellte daraufhin bei der »Western Union Telegraph Company« in New York einige Apparate.

Der Zufall will es, dass eine knappe Woche darauf der Chef des Londoner Haupttelegraphenamtes, Henry C. Fisher, ein gebürtiger Hannoveraner, dienstlich in Berlin weilt. Uneigennützig stellt er seinem Gastgeber am 24. Oktober 1877 zwei Telefone zur Verfügung, die er gerade von Bell erhalten hatte. Noch am selben Tag wurden Versuche damit durchgeführt. Zunächst nur provisorisch innerhalb des Haupttelegraphenamtes (mit 100 Schritt Entfernung von Zimmer zu Zimmer).

Am 26. Oktober 1877 folgte dann ein erster Sprechversuch zwischen dem Generalpostamt in der Leipziger Straße 15 (dem späteren Reichspostministerium und Reichspostmuseum, heute Museum für Kommunikation) und dem etwa einen Kilometer entfernten Haupttelegraphenamt in der Französischen Straße 33c (ehemaliges Königliches Telegraphenamt und ältestes Fernmeldeamt Deutschlands, erbaut 1861-63, heute Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom). Bei dem Versuch wurde auch Musik eingespielt und erfolgreich übertragen. Euphorisch erklärte Stephan, «dieser Tag ist als Geburtstag des Fernsprechers in Deutschland zu betrachten».

Etappenweise werden die Versuche nun auf weitere Distanzen ausgedehnt: jeweils vom Haupttelegraphenamt aus, zunächst bis Schöneberg (6 km), danach Potsdam (26 km) und Brandenburg (61 km). Schließlich gelingt auch noch eine schwache Verbindung zwischen Berlin und Magdeburg (142 km).

Fernsprecher OB04, Bild: Matthias MaetschDa Bell in Deutschland keine Patentrechte besaß (die frühere Reis´sche Erfindung war in Deutschland bekannt und das Telefon daher nicht mehr patentfähig), veranlasst Stephan den Ingenieur Werner von Siemens, eigene Telefone herzustellen. Die Firma »Siemens & Halske« baut die Geräte (nach Bauart Bell), eingeschlossen selbst beigesteuerter Verbesserungen, bald in immer größeren Stückzahlen. Zwei Geräte inklusive 15 Meter Leitung kosten zunächst 12 Reichsmark.

Der Generalpostmeister informiert am 9. November 1877 den Reichskanzler Fürst Bismarck in eigenhändig verfassten Ausführungen über die bisherigen Versuche und «die Absicht, Telefone auf allen denjenigen Postorten aufzustellen, an welchen noch keine Telegraphenanstalten sich befinden und von dort die aufgegebenen Depeschen an die nächste Telegraphenstation hinüberrufen zu lassen. Wenn diese Maßregel gelingt, dann würden wir, da die Kosten sehr gering sind, die Zahl der Reichs-Telegraphenämter ganz erheblich vermehren können.» Schon am 12. November 1877 wird in Friedrichsberg bei Berlin (dem heutigen Berlin-Lichtenberg) die erste Reichstelegraphenanstalt dieser Art mit fernmündlicher Nachrichtenübertragung eingerichtet.

Die Apparate konnten zunächst ausschließlich in der Telegraphenverwaltung zu innerdienstlichen Zwecken verwendet werden, da Anträge auf die Einrichtung privater Fernsprechanschlüsse mit dem Hinweis abgelehnt wurden, dass Fernsprecher im Sinne der Verfassung Telegraphen seien und dadurch diese ausschließlich vom Staat betrieben werden dürfen.

Münzfernsprecher Mü28, Bild: Matthias MaetschDas Interesse am Telefon hielt sich Anfangs auch noch stark in Grenzen. Am 12. Januar 1881 wird das erste handvermittelte Fernsprechamt Deutschlands im Haupttelegraphenamt mit gerade einmal acht Teilnehmern eröffnet. Am 1. April 1881 ging dann die Berliner »Stadtfernsprecheinrichtung« in Betrieb. Das dazu erschienene Fernsprechbuch hatte den spöttischen Beinamen »Buch der 99 Narren«, den es gab gerade einmal 99 Teilnehmer. Doch schon ein Jahr später hatte diese Neuerung 579 »Narren« überzeugt und zehn Jahre später gab es in Berlin bereits 15.770 Fernsprechanschlüsse. 1898 waren es schon 34.500, 1900 etwa 130.000 und 1940 gar 663.665 Anschlüsse. Heute gibt es in Berlin mehrere Millionen Telefonanschlüsse - deutlich mehr als Einwohner. Allein die Zahl der Mobilfunk-Anschlüsse entspricht fast der Einwohnerzahl. Der Trend geht eindeutig zum Zweithandy und Dritt-Telefonanschluß (ISDN mit drei Nummern). Ob sich Generalpostmeister Heinrich Stephan das vorstellen konnte, als er am 26. Oktober 1877 die Geburtsstunde der Telefons in Deutschland ausrief?

 

Autor: Matthias Maetsch, Berlin
Der Text basiert auf diverse Quellen, u.a. auf einem Artikel von Hans Aschenbrenner und Publikationen bei luise-berlin.de.
Weitere Artikel von mir finden Sie bei der Netzeitung und bei teltarif.de - jeweils unter dem Suchbegriff "maetsch".

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